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01.05.13

Balladen interpretieren wie die Profis - Teil 1

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Das Wort „Ballade“ leitet sich ab vom mittelalterlichen „balada“ (ca. um 1200 n. Chr. wurde diese Bezeichnung geprägt). Die „Ballade“ geht zurück auf den lateinischen Begriff „ballare“ und das okzitanische Wort „balar“.

Beide Wörter bedeuten „tanzen“. Ursprünglich waren „Balladen“ also Tanzlieder. Demnach werden heutzutage noch gefühlvolle, tanzbare und melodische Lieder ebenfalls als Balladen bezeichnet.

In der Dichtkunst gilt die „Ballade“ als Sonderform des Gedichts, denn sie kann dramatische Elemente enthalten, mit Dialogen wie in einem Schauspiel; sie kann epische Elemente enthalten , d.h. Schilderungen, wie man sie aus Erzählungen kennt – und sie kann lyrische Elemente enthalten wie ein Gedicht; Verse und Strophen, die sich reimen, usw.

Finden sich alle drei Elemente in einem Gedicht wieder, das zudem auch noch große Spannung aufbaut und auf einen Höhepunkt zusteuert, in dem sich die Spannung wieder löst, haben wir es mit einer klassischen Ballade zu tun.

Vier typische Balladen

Friedrich Schiller
Vier typische Balladen, die immer wieder gern im Unterricht verwendet werden, sind: „Der Handschuh“ von Friedrich Schiller, „John Maynard“ von Theodor Fontane, sowie die beiden Balladen „Der Zauberlehrling“ und „Totentanz“ von Johann Wolfgang von Goethe.

In all diesen Balladen findet sich das epische Element:
„Vor seinem Löwengarten, das Kampfspiel zu erwarten, saß König Franz…“
„Die ‚Schwalbe‘ fliegt über den Eriesee, Gischt schäumt um den Bug…“
„Hat der alte Hexenmeister sich doch einmal wegbegeben…“
„Der Türmer, der schaut zumitten in der Nacht hinab auf die Gräber in Lage…“

Johann Wolfgang von Goethe
Mit dem epischen Element schildern die Autoren, was, wo, wann, auf welche Weise und weshalb etwas geschieht. -- Indem das dramatische Element eingesetzt wird, erfahren wir aus Dialogen oder Monologen, was jeweils gesagt oder beabsichtigt wird:
„Wie weit noch, Steuermann?“ „Noch dreißig Minuten… halbe Stund!“
„Geh! Hole dir einen der Laken!“
„Und nun komm, du alter Besen! Nimm die schlechten Lumpenhüllen!“
„Herr Ritter, ist Eure Lieb‘ so heiß, wie Ihr mir’s schwört zu jeder Stund, Ei, so hebt mir den Handschuh auf!“

Theodor Fontane
Das lyrische Element sorgt für die typische Gedichtform, mit Versen, mit Kreuzreimen, Paarreimen oder umarmenden Reimen:

„Von Detroit fliegt sie nach Buffalo –
Die Herzen aber sind frei und froh“

„Und wie er winkt mit dem Finger
Auf tut sich der weite Zwinger“

„Nun hebt sich der Schenkel, nun wackelt das Bein,
Gebärden da gibt es vertrackte;
Dann klippert’s und klappert’s mitunter hinein,
als schlüg‘ man die Hölzlein zum Takte“

„Ach, da kommt der Meister!
Herr, die Not ist groß!
Die ich rief, die Geister,
Werd ich nun nicht los.“

Spannung – essentieller Bestandteil von Balladen

Spannung wird in allen Balladen auf dieselbe Weise erzeugt. Immer steuert das Geschehen auf ein fatales Unheil hin:


Ritter Delorges muss sich durch die öffentliche Provokation der Edelfrau Kunigunde in die Arena hinab begeben, wo ausgehungerte Raubkatzen auf ihn lauern – spielt er das böse Spiel nicht mit, wird er als unritterlicher Feigling dastehen und seine Liebe zur edlen Dame in Zweifel gezogen… spielt er das Spiel mit, gilt er zwar als ritterlich und mutig, könnte für die Laune einer selbstherrlichen Zicke aber schon in wenigen Augenblicken als Löwenfutter enden…



John Maynard muss, trotz Gefahr für Leib und Leben, das brennende Schiff sicher in den Hafen bringen – gelingt es ihm nicht, werden alle Passagiere sterben… bringt er sich selbst aber nicht rechtzeitig in Sicherheit, könnte er es sein, der dafür mit dem Leben bezahlt… Durch den unerbittlichen Countdown – noch 30 Minuten, noch 20 Minuten, noch 15 Minuten... – wird die dramatische Spannung unaufhörlich vorangepeitscht.


Der Zauberlehrling, der Inbegriff leichtsinniger Selbstüberschätzung, Anmaßung und fatalen Halbwissens, entfesselt in Abwesenheit seines Meisters dienstbare Geister – aus reiner Faulheit und Bequemlichkeit. Er erinnert sich jedoch fatalerweise nicht mehr an das magische Wort, um die Geister wieder zu bannen… und das ganze Haus droht samt und sonders in Wasserfluten unterzugehen, wenn nicht bald der Hexenmeister zurückkehrt, um der Katastrophe Einhalt zu gebieten…




Der Türmer beobachtet ein schauriges Schauspiel, als sich die Gräber um Mitternacht öffnen und Gerippe und Leichen daraus hervor steigen, um im Mondlicht zu tanzen. Wie er beobachtet, dass sie ihre Leichentücher für den Tanz ablegen, schleicht er sich zu ihnen, um eines der Laken zu stehlen. Doch er hat nicht damit gerechnet, dass der zornige Untote zu ihm auf den Turm klettern wird, um sich sein Leichentuch zurückzuholen. Der Turmwächter begreift, dass sein letztes Stündlein geschlagen hat, als sich der Wiedergänger unaufhaltsam nähert…

Historische und übernatürliche Themen

In Balladen werden häufig historische Ereignisse verarbeitet, wie z.B. in Fontanes „Die Brücke am Tay“. - (Der Einsturz der Eisenbahnbrücke Firth-of-Tay in Schottland, am 28. Dezember 1879, bei der 75 Menschen von der abstürzenden Eisenbahn in den Tod gerissen wurden.) Oder auch im oben erwähnten „John Maynard“. - (In der Nacht vom 8. auf den 9. August 1841 geriet der Raddampfer Erie in Brand. Von ca. 300 Passagieren überlebten nur 29 die Katastrophe.)

Entsprechend werden solche Balladen als „Historische Balladen“ bezeichnet, weil sie reale Geschehnisse aufgreifen.

Ein weiteres Merkmal von Balladen sind oftmals übernatürliche, magische oder gespenstische Themen, von denen sie erzählen, wie z.B. im „Erlkönig“, „Totentanz“ oder auch im „Zauberlehrling“. Solche Balladen nennt man „Numinose Balladen“ (numinos = heilig, göttlich, Schauer erregend). Man unterscheidet hierbei die „Naturmagische Ballade“, in denen die Kräfte der Natur helfend eingreifen, oder den Menschen bedrohen, von der „Totenmagischen Ballade“, in der es meist um Wiedergänger, Vampire und ähnliche untote Kreaturen geht, die aus Gräbern und Grüften steigen, usw.

„Der Handschuh“ von Friedrich Schiller ist eine „Ritterballade“, die von den Heldentaten stolzer und mutiger Ritter erzählt.

Außerdem werden in Balladen auch Sagen und Legenden verarbeitet, oder gesellschaftskritische Anklagen vorgebracht.